Die Reaktionen in der Öffentlichkeit

In der „Rheiderland"-Zeitung" hieß es am 10. November unter „Mitteilungen und Notizen": „Demonstrationen gegen die Juden. Infolge der feigen jüdischen Mordtat in Paris kam es auch hier in den frühen Morgenstunden zu Demonstrationen gegen die Juden." Als diese Meldung mittags den Leser erreichte (die Auslieferung erfolgte generell erst gegen 13 Uhr), hatte sich die Kunde vom Brand, von den Zerstörungen und den Verhaftungen der Juden in Weener überall herumgesprochen. Im Ha- fenbereich waren die Bewohner bereits zwischen sieben und acht Uhr über die Ereignisse informiert. In der Volks- und Mittelschule wussten die Schüler schon über die Vorgänge Bescheid und auch die Lehrer hatten entsprechende Informationen, zumal unter ihnen auch einige waren, die an den nächtlichen Ereignissen teilgenommen hatten. Auf dem Weg zur Arbeit versuchten mehrere Bürger, sich persönlich ein Bild vom Ausmaß der Brandschäden zu machen. Jedoch war die Hindenburgstraße in der Mitte immer noch gesperrt für den Verkehr, nur die Fußwegseite gegenüber der Brandstelle war frei. In den Werkstätten und Büros der Firmen wurde öffentlich im großen Kreis nicht über die Vorgänge gesprochen, wohl aus Angst vor unbedachten Äußerungen und möglicher Parteinahme für die bedrängten Juden.

Am Morgen des 10. November wollten einige Schüler der katholischen Volksschule ihre jüdischen Mitschüler besuchen, weil diese wegen der nächtlichen Ereignisse und der dann einsetzenden „Aufholung" nicht zur Schule gekommen waren. SA-Wachen verhinderten eine Kontaktaufnahme.

Nur im engsten Freundes- und Familienkreis wurden die Ereignisse besprochen. Zu öffentlichen Solidaritätskundgebungen kam es nicht. Auch in den Kirchen gab es keine öffentliche Stellungnahme. Das Spitzel- und Kontrollsystem der NSDAP war inzwischen weit entwickelt. Die hohe Zahl von Parteimitgliedern in Weener (1938 gab es über 500 zahlende Mitglieder), die engen verwandtschaftlichen Bindungen unter der Bevölkerung als auch die gegenseitige Bekanntschaft in einer Kleinstadt verhinderten eine offene Diskussion, da man immer damit rechnen musste, dass die eigenen Aussagen sich nachteilig auswirkten.